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"Die Erinnerungen des Hans Wende" Bericht Download |
Inhaltsverzeichnis
a. Die Arbeitseinteilung des Oberkommandos der Heeresgruppe E b. Kurt Waldheim und die Sühnebefehle c. Hans Wendes Besuch in Athen d. Rückzug aus Griechenland e. Nachkriegszeit f. Das Exposé: Die Griechische Widerstandsbewegung im Urteil der Deutschen Heeresführung g. Die weiteren Verkaufsverhandlungen h. Wo befinden sich die Dokumente? i. Download the article "Die Erinnerungen des Hans Wende" Kinder, es ist maßlos traurig, aber ich bringe euch nach Hause (1), versprach Generaloberst Alexander Löhr, Chef der Heeresgruppe E in einer letzten Ansprache seinen Mitarbeitern, bevor er am 13. Oktober 1944 den geordneten Rückzug aus Griechenland antrat. Hans Wende war sich nicht so sicher, daß er heil nach Hause kommen würde: In den letzten Monaten wurde anstatt mit dem obligatorischen Heil Hitler nur noch fatalistisch mit Bleib übrig gegrüßt, wenn eine Dienstreise anstand, oder es auf Urlaub ging, erinnert sich der rüstige 93Jährige an die Kriegszeiten in Griechenland. Als Bandensachbearbeiter (2) dem Führungsstabe Löhrs angehörig, befaßte sich Wende mit der Auswertung der aktuellen Feindlage, formulierte die wichtigen Morgen-, Mittags- und Abendmeldungen und erarbeitete als Spezialist für Feinderkenntnisse und Erforschung der Bandenaktivitäten in unermüdlicher Fleißarbeit für seine Vorgesetzten die monatlichen Feindnachrichtenblätter. Ich habe mich da ungeheuer hineingekniet, erinnert sich Wende nicht ohne Stolz. "Mir war jeder Bandenführer bekannt. Wir hatten viele V-Männer, die wir zum Beispiel als Kaufleute verkleidet in die Bandengebiete schickten, und die uns dann verschlüsselt ihre Nachrichten übermittelten. Wir sind schon ziemlich aktiv gewesen! Zwar diente Wende nur im Rang eines Unteroffiziers, aber als ehemaliger Studienrat an der Deutschen Schule Athen war er der einzige Akademiker im Stabe der Heeresgruppe E, der griechisch sprach, und mit den Landesverhältnissen und der griechischen Mentalität vertraut war. Hans Wende wurde 1905 in Schlesien geboren. Zu seinen ersten Erinnerungen gehört die Kaiserparade, die der Siebenjährige vom Balkon seiner Großmutter in Breslau aus verfolgte. Der mit Pickelhaube und Federbusch geschmückte Kaiser (Ich führe euch goldenen Zeiten entgegen!) ritt voran, gefolgt von der Kaiserin, Lakaien und Fürsten, um die Parade des hochvornehmen 1. Kürassierregiments abzunehmen. Wir haben alle fürchterlich geschrien vor Begeisterung, erinnert Wende sich fast wehmütig an längst vergangene Zeiten. Der Begeisterungstaumel sollte jedoch schnell verfliegen. Nach bitteren Jahren der Arbeitslosigkeit und des Hungers fand der junge Mann in den Zwanziger Jahren eine Lehrstelle als Buchhändler in Breslau, und studierte anschließend in Tübingen, wo er sich politisch engagierte, der Deutschen Volkspartei beitrat, und zuweilen mit Stresemann am Stammtisch philosophieren durfte. Nach der Machtergreifung bewarb sich der arbeitslose Studienrat erfolgreich bei der Deutschen Schule in Athen, wo er 1934 seinen Dienst antrat. Diese Schule galt in Athens wohlsitutierten Kreisen als die Eliteschule. Weniger als ein Viertel der Schüler kamen aus deutschen Familien. Zwar war Wende nicht der NSDAP beigetreten, jedoch nutzte er die langen Ferienmonate, um sich in der Heimat von der Wehrmacht zum Reserveoffiziers-anwärter ausbilden zu lassen. Sein gutes Lehrergehalt ermöglichte es ihm zudem, 1936 die Olympiade in Berlin zu besuchen und 1938 am Deutschen Turnfest teilzunehmen. Als Hitler 1939 in Prag einmarschierte kehrte der Offiziersanwärter endgültig nach Deutschland zurück, ließ sich mustern, und marschierte im Polenfeldzug in dritter Linie als stolzer Gefreiter mit. Ich war ein guter Schütze, erinnert sich Wende. 1941 nahm Wende am Rußlandfeldzug teil, erlitt jedoch im Oktober beim Vormarsch der 6. Armee auf Omsk eine doppelte Lungenentzündung. Das war mein grosses Glück, sonst läge ich heute irgendwo bei Stalingrad. Nachdem Wende seine Krankheit in einem Wiener Lazarett auskuriert hatte, wurde er aufgrund seiner griechischen Sprachkenntnisse als Dolmetscher zum Oberkommando der Heeresgruppe E in Arsakli (3), Griechenland abkommandiert. Nach der Sprengung des strategisch wichtigen Gorgopotamos-Eisen-bahnviaduktes (4) durch griechische Freischärler unter Anleitung britischer Kommandos, nahm die sogenannte Bandenaktivität in Mittelgriechenland sprunghaft zu. So wurde im Frühjar 1942 das Bandenreferat der Heeresgruppe E im Hauptquartier in Arsakli geschaffen, das, so entschied Generalstabschef Hermann Förtsch persönlich, der Griechenlandkenner und ehemalige Studienrat Wende übernehmen solle. Hans Wende wurde im April 1942 zum Sachbearbeiter für Bandenangelegenheiten in der Abteilung Ic/AO (5) des Oberkommandos der Heeresgruppe E ernannt. Im März l943 zum Obergefreiten und im August desselben Jahres zum Unteroffizier befördert, teilte er zusammen mit den beiden österreichischen Land-kartenzeichnern, Feldwebel Markus Hartner und dem Gefreiten Pimiskern ein durch Aktenregale getrenntes Büro. Es befand sich in einer ehemaligen Turnhalle, die in Vorkriegszeiten zu einem amerikanischen College gehörte. Generaloberst Löhr hatte sich in einer gediegenen Villa oberhalb des Universitätsgebäudes eingerichtet, von wo aus er einen herrlichen Blick auf den Golf von Saloniki und den schneebedeckten Olymp genoß. Wendes Vorgesetzter war Oberleutnant Merrem, Ordonnanzoffizier des Generalstabes. Merrem wurde im Oktober 1943 durch den blutjungen Oberleutnant Waldheim (6) abgelöst, der zuvor das Kriegstagebuch des Deutschen Generalstabes beim Italienischen 11. Armeekorps in Athen geführt hatte, jedoch nach dem Abfall Italiens nach Arsakli versetzt worden war. Der 24jährige Kurt Waldheim wurde nun Chef des 38jährigen Hans Wende. Ein Jahr lang sollten die beiden Männer den gleichen Büroraum teilen. a. Die Arbeitseinteilung des Oberkommandos der Heeresgruppe E Der Ic war verantwortlich für die Bearbeitung der gesamten Feindlage. Er ließ aufgrund der eingegangen Meldungen ausführliche monatliche Feindlageberichte erstellen, in denen die allgemeine politische Lage, die Feindlage, d. h. der Aufbau der Banden, das Bandenverhalten, das Verhältnis der Banden zueinander, die Aktivitäten der alliierten Militärmission, das Nachrichtenwesen, Versorgungs-, Be-waffnungsfragen und die Stärke der Banden analysiert wurde. Die Ic/AO Abteilung orientierte verbündete Truppen im Rahmen des vom OKH (8) genehmigten Umfangs über die errungenen Feinderkenntnisse und arbeitete eng mit dem Sicherheitsdienst (SD), der Sicherheitspolizei (Sipo), der Feldgendarmerie und der Geheimen Feldpolizei (GFP) zusammen. Der GFP und den Abwehrtrupps erteilte der Ic fachliche und einsatzmäßige Weisungen. Die dem Ic untergeordnete Abteilung AO (Abwehroffizier) wurde von dem Major Hammer geleitet, der gleichzeitig Warnstorffs Stellvertreter war. Hammer zeichnete insbesondere verantwortlich für die Steuerung des gesamten Abwehrdienstes, dem Einsatz der GFP Gruppe 621. Er kümmerte sich um die Stimmung und das innere Gefüge der Truppe und hatte somit Weisungsrecht für Propagan-damaßnahmen innerhalb der eigenen Truppe und zur Gegenpropaganda. In diesem Rahmen erteilte er Weisungen an Politoffiziere für nationalsozialistische Führung und Zensuroffiziere zur Überprüfung der Feldpost. Des weiteren unterstand Warnstorff die von Oberleutnant Waldheim geführte Abgesehen von der Sichtung, Bewertung und Weitergabe der täglichen Flut von Meldungen, erarbeiteten die Sachbearbeiter monatliche Feindlageberichte. Untermauert mit detaillierten Zeichnungen und Karten, in die die erkannten Verbände der Freischärler in den bandenverseuchten Gebieten, deren Bezeichnungen und Stärke, vermutete und bestätigte Flugplätze, Abwurfstellen der aus Nordafrika eingeflogenen Kriegsgüter und selbst vermutete U-Bootanlandestellen eingezeichnet waren, wurden diese Berichte über Waldheim und Warnstorff an den Generalstab weitergeleitet. Als Kurt Waldheim im Oktober l943 seinen Dienst antrat, da war der ein junger Leutnant, ein grüner Spund, noch nicht einmal 25 Jahre alt. Wir nannten ihn immer Waldheini. Der war froh, mich zu haben, erinnert sich Hans Wende, der nicht nur 12 Jahre älter war als sein neuer Vorgesetzer, sondern als alter Fuchs bereits seit eineinhalb Jahren in der Abteilung Ic eingearbeitet war. Wendes eigent-licher Vorgesetzer war Oberleutnant Krohne, der eigentlich meine Arbeit machen sollte. Aber ich war so eingearbeitet, daß man mich bis zum Schluß weitermachen ließ. Als Sachbearbeiter im Referat Griechische Widerstandsbewegungen, verfaßte Wende die schriftlichen Tagesmeldungen an den Ic Warnstorff und die Ausarbeitung der Lageberichte über die Bandenlage in Griechenland. Die wurden von mir alleine geschrieben. Waldheim hat sie abgezeichnet und an den Ic weitergeleitet, unterstreicht Wende. Herbert Warnstorff bestätigt diese Aussage (10). Hans Wende wohnte in einem Gebäude, das zum ehemaligen amerikanischen College gehörte. Geregelte Arbeitszeiten wurden kaum eingehalten. Neben Wendes Bett stand ein Telefon, so daß er immer einsatzbereit war, wenn wichtige Meldungen eintrafen, die auf schnellstem Wege an seine Vorgesetzten weitergeleitet werden mußten. Ein typischer Arbeitstag begann mit der sorgfältigen Bearbeitung der ein-laufenden Feindmeldungen der Truppen in Griechenland. Sodann sondierte und prüfte er die Berichte der Abwehrstellen und der Felpolizeikommandos über Gefangenenvernehmungen, analysierte die Ergebnisse der Funkaufklärung und vom Feind erbeutete Dokumente. Ab April 1943 hatte man damit begonnen, ausführliche Banden in Grie-chenland Berichte über die Bandenlage zu verfassen. Vier Berichte wurden bis zum Juli 1943 geschrieben (11). Nachdem Waldheim das Referat 03 übernommen hatte, wurden ab November die sogenannten Feindnachrichtenblätter (12) erarbeitet. Unterstützt von den Österreichern Pimiskern und Hartner, die die dazugehörigen Karten und Pläne zeichneten, schrieb Wende die Berichte. Von Waldheim und Warnstorff paraphiert, liefen die Meldungen zum Chef des Generalstabes (13), der sie unterschrieb. Alsdann wurden sie an die Chefs der Heeresgruppen E und F, deren Stabsabteilungen, die SS, GFP, Propagandastaffeln, den Admiral Ägäis usw. verteilt. Alle Berichte wurden als geheim oder als geheime Kommandosache bezeichnet, und unterlagen somit dem strengsten Grad der Geheimhaltung. Es geschah schon, so Wende, daß ich zu Besprechungen bei Löhr hinzugerufen wurde, um Fragen zu klären. Es war sehr kameradschaftlich. b. Kurt Waldheim und die Sühnebefehle Wende vermutet, daß Waldheim diese abschätzige Meinung seiner Mitarbeiter zu Ohren gekommen ist und deshalb nach dem Kriege jeden Kontakt mit ihnen gemieden hat (14) . Denn selbst als ein Freund Wendes das österreichische Staatsoberhaupt anläßlich einer Festspieleröffnung in Salzburg sprach und äußerte, daß er ein guter Freund seines Kriegskameraden Wende sei, antwortete Waldheim, daß der Name Wende für ihn kein Begriff sei. Doch Waldheim wird andere Gründe dafür ge-habt haben, sein Erinnerungsvermögen an seinen engen Mitarbeiter Hans Wende verloren zu haben. 1988 war Wende auf Einladung der britischen Fernsehstationen Thames und Channel 4, ferner der größten amerikanischen Kabelstation HBO, zum fiktiven Londoner Waldheim-Tribunal geladen worden. Die drei Fernsehanstalten hatten es sich etwa 4.5 Millionen DM kosten lassen, um nach 235 quälend langweiligen Fernseh-minuten das Urteil zu finden, daß kein einziger Beweis vorliegt, der dazu berechtige, von Waldheim eine Rechtfertigung wegen angeblich begangener Kriegsverbrechen zu fordern. 36 Zeugen, Experten, Überlebende deutscher Massaker und Deportationen und ehemalige Kameraden Waldheims waren für das Fernsehspektakel geladen, um minutiös die verschlungenen Kommandowege der Nazi-Kriegsführung zu verfolgen. Insgesamt 10.000 Seiten an Dokumenten waren von 25 Historikern und Rechercheuren zusammengetragen worden, die in 19 Archiven geforstet und unzählige Zeu-gen vernommen hatten. Doch am Ende stand der Freispruch des österreichischen Staatsoberhauptes, den dieser ohnehin vorausgesagt hatte: Auch wenn Sie hundert Jahre lang suchen, Sie werden nichts finden (15). Hans Wende hatte durch seine Aussagen keinen kleinen Beitrag (16) an dem Freispruch geleistet, wie ihm einer der Organisatoren des Tribunals bestätigte, denn während seiner Befragung unterstrich Wende immer wieder, daß Waldheim keine Befehlsgewalt hatte und auch nicht ausübte. Um so mehr verübelt der pensionierte Studienrat es Waldheim noch heute, geleugnet zu haben, sich an ihn zu erinnern. Es gibt weder einen dokumentarischen Hinweis noch irgendwelche Zeugenaussagen, wonach ein Mitglied der Führungsabteilung in Arsakli während oder nach dem Kriege moralische Skrupel über der Anwendung der entsetzlichen Sühnemaßnahmen empfunden hätte. Dies ist einer der grundsätzlichen Vorwürfe, die Wald-heim gemacht werden. Tatsächlich leugnete er, gewußt zu haben, daß unschuldige Geiseln zur Sühne ermordet wurden, und was mutmaßlichen Partisanen und gefan-genen britischen Kommandos widerfuhr. Waldheims Chef Warnstorff und sein Untergebener Wende sind befremdet über Waldheims vorgebliche Unwissenheit. Weder Warnstorrf noch Wende leugnen, gewußt zu haben, wie ermordete deutsche Soldaten gerächt wurden, wie der SD mit Gefangenen umging, und wie die Sühnebefehle von den Truppen und der Polizei unbarmherzig umgesetzt wurden. Offensiv, ohne ein Zeichen des Bedauern ob der vielen unschuldigen Opfer, argumentieren Warnstorff und Wende wortgleich und verteidigen die Sühnebefehle: Wie anders hätten wir unsere Soldaten vor den Partisanen schützen können? Beide Männer unterstreichen, daß Waldheim in seiner Position als 03 weder Weisungen erteilen konnte noch dazu befugt war. Gleichwohl bestätigen beide unabhängig voneinander, was für sie und ihre Kameraden im Hauptquartier der Heeresgruppe E ein offenes Geheimnis war: die Ermordung eines deutschen Soldaten wurde in der Regel mit der Erschießung von 10 Geiseln gesühnt. Jedermann in Arsakli, so Wende, kannte die Befehle. Natürlich auch Waldheim. Wenn Waldheim das leugnet, dann sagt er nicht die Wahrheit (17). Rufen wir uns in diesem Zusammenhang die berühmt-berüchtigten Befehle in Erinnerung, die Hitler, Keitel und ihre Südostbefehlshaber in ihrer Wut über Partisanenaktivitäten und alliierte Kommandounternehmungen in von deutschen Truppen besetzten und damit befriedeten Ländern erlassen hatten. Auf diesen Leitgedanken fußten die schrecklichen Sühnemaßnahmen, das Abbrennen von hunderten von Ortschaften, und die Ermordung von tausenden unschuldiger griechischer Geiseln. Fußend auf dem berüchtigten Keitel-Befehl vom 16. September l941 nach dem für jeden ermordeten Deutschen bis zu 100 Geiseln und für jeden Verwundeten 50 Geisel zur Sühne erschossen werden sollen, hatte der Wehrmachtsbefehlshaber Südost am 19. März 1942 Weisung an seine Truppenkommandeure betreffend Bekämpfung von Aufständischen erlassen: Bezeichnend für die seinerzeit herrschende Mentalität ist Hitlers berüchtigter Kommandobefehl, den er am 18. Oktober 1942 erließ : Selbst wenn Mitglieder von diesen sogenannten Kommandounternehmungen im Kampf oder auf der Flucht nicht niedergemacht wurden, so bedeutete spätestens die Übergabe an den SD den sicheren Tod durch Erschießen. Unbestritten ist, daß Alexander Löhr auf Grund dieses Führerbefehls einen Zusatzbefehl ergehen ließ, der seinen Kommandeuren keine Interpretationsfreiräume mehr zuließ : Der Bundespräsidentschaftskandidat Kurt Waldheim wurde in dem österreichischen Magazin Profil (21) dazu befragt, wie er sich im Herbst 1943, als er seinen Dienst als 03 bei der Heeresgruppe E antrat, zu dem Befehl stellte, mutmaßliche Partisanen sofort zu erschiessen. Waldheim leugnete in seiner Antwort, je einen solchen Befehl gesehen zu haben. Ich hatte ja mit diesen Dingen nichts zu tun (...). Ich habe gedolmetscht, und ich bin über meinen Karten gesessen, glauben Sie mir das! Drei Wochen später konnte Waldheim jedoch diese Abwehrfront nicht mehr aufrecht erhalten. Gegenüber Time-Magazine (22) räumte er immerhin ein, von Repressalien gewußt zu haben: Ja, ich wußte davon. Ich war entsetzt. Aber was konnte ich tun? Ich mußte weiter Dienst leisten oder wäre hingerichtet worden. Ob Waldheim wirklich so entsetzt war, wie er vorgibt, kann mit Fug bezweifelt werden. So schrieb Wende im vom Waldheim abgezeichneten Feindnachrichtenblatt No. 1 vom 15. November 1943, daß die geringe Aktivität der Freischärler gegenüber der deutschen Besatzung auf die schlagartig einsetzenden Sühne-maßnahmen zurückzuführen sei (23). Doch immer mehr sollte sich in den folgenden Monaten die Erfolgslosigkeit der Sühnemaßnahmen herausstellen, so daß im Feind-nachrichtenblatt No. 9 vom 25. Mai 1944 die Schlußfolgerung gezogen wurde, die verhängten Sühnemaßnahmen haben trotz ihrer Härte keinen nennenswerten Erfolg gehabt. Die Maßnahmen hätten nur verbitternd und für die Banden nutzbringend gewirkt (24). Tausenden wäre ein schreckliches Schicksal erspart geblieben, wenn den deutschen Militärs diese banale Erkenntnis zu einem früheren Zeitpunkt gekommen wäre. Und Waldheims Antwort, er wäre hingerichtet worden, wenn er sich verweigert hätte, kontert Hans Wende: Schlimmstenfalls wäre man an die Ostfront versetzt worden, wenn man einem Befehl nicht Folge geleistet hätte. Wende erinnert sich, daß es mehrere Fälle von Befehlsverweigerung in Arsakli gegeben hat, aber dafür wurde nie einer erschossen. Bereits im August 1943, bevor er nach Arsakli kam, hatte Waldheim in dem von ihm in Athen geführten Kriegstagebuch, Tagesmeldungen der Gebirgsjäger über erschossene Zivilisten kurzerhand als Feindverluste bezeichnet. Vermutlich war dem angehenden Juristen bewußt, daß die Tötung von Zivilisten gegen das Kriegsrecht verstößt, während die Meldung von Feindverlusten (25) einen kriegerischen Akt darstellt. In einem SpiegelGespräch (26) leugnete Waldheim, je mit der Vernehmung von Gefangenen zu tun gehabt zu haben, obwohl in der Arbeitseinteilung der Führungsabteilung vom 1. Dezember 1943 ausdrücklich vermerkt ist, daß Gefangenenvernehmungen zum Aufgabenbereich des 03 gehörten. Auf die direkte Frage des Spiegel-Journalisten antwortete Waldheim empört: So etwas von mir zu behaupten, ist reine Verleumdung. Auch wenn Waldheim nicht an Vernehmungen teilgenommen hat, dann müßte er zumindest darüber informiert gewesen sein. Denn beide, Warnstorff und Wende haben persönlich Gefangene vernommen. Zwar wurden die Vernehmungen im allgemeinen von der GFP oder der Abwehr-Truppe unter Major Hammer vorgenommen. Die Erkenntnisse wurden jedoch von mir verarbeitet und dann dem Ic vorgelegt, sagt Wende, der sich daran erinnert, des öfteren gemeinsam mit der Polizei Gefangene vernommen zu haben. So interrogierte er im Mai 1944 zusammen mit dem fließend englisch sprechenden Unteroffizier Hans Wollschläger, der ebenfalls in der 1c Abteilung tätig war, und von der GFP zu Verhören von Angehörigen der Commenwealth-Streitkräfte hinzugezogen wurde, drei Briten und einen Südafrikaner, die mit dem Fallschirm abgesprungen und im Pindus-Gebirge gefangengenommen worden waren. Wir kannten den Führerbefehl und wußten, daß sie erschossen werden sollten. Wende und Wollschläger versprachen den Männern, daß sie sich für sie verwenden würden, wenn sie ausgiebig aussagen würden. Heute ist Wende stolz auf seine Tat: Wir haben den Männern das Leben gerettet. Wir erklärten die Männer mit Löhrs Rückendeckung als pflegebedürftig und entließen sie in die Obhut des Roten Kreuzes. Im Gegenzug erfuhren Wende und Wollschläger, wo die Bandenschwerpunkte lagen. Wende ließ diese Informationen auf Karten vermerken, die er seinem nächsten Feindnachrichtenblatt beifügte. Warnstorff erinnert sich, ebenfalls mit Wollschläger einen britischen Offizier in den Kerkern der GFP in Saloniki verhört zu haben, der jedoch nach der Vernehmung dem SD überstellt wurde. Dieser Mann entkam nicht seinem Schicksal. Er wurde erschossen. Bezeichnend für die enge Zusammenarbeit zwischen der GFP in Saloniki und der Abteilung Ic/AO in Arsakli ist, daß der GFP Mann Theo Lauber durch Wende vertreten wurde, wenn er auf Reisen oder auf Urlaub war. c. Hans Wendes Besuch in Athen Es erscheint erschreckend aber auch symptomatisch für die Hilflosigkeit der mental eingebunkerten Führungsspitze in Arsakli, der nichts anderes einfiel, als den ehemaligen Lehrer nach Athen zu fliegen, um eine Meinungsumfrage durchzuführen. In unserer kleinen Welt in Arsakli, so Wende, merkten wir, daß der Krieg verloren geht. Ich wurde nach Athen geschickt, weil wir einmal direkt wissen wollten, wie des Volkes Stimmung ist. Wende zog also von Familie zu Familie, die er aus Lehrerzeiten kannte, wohnte bei alten Freunden, sprach mit Schülern, Widerstandskämpfern und ehemaligen Lehrerkollegen. Die waren natürlich sehr vorsichtig, aber weil sie mich als aufgeschlossene Person kannten, scheuten sie sich nicht, ihre Meinung zu sagen. Nach Rückkehr in Arsakli verfaßte er seinen Reisebericht (27), in dem er offen das Tabuthema Sühnemaßnahmen ansprach: Fast immer konnte ich feststellen, daß der nationale Grieche in der erschossenen Geisel den unschuldig ermordeten Landsmann erblickt (...). Und er formulierte die Selbstverständlichkeit, die man im Hauptquartier nicht hören wollte: Im Vorgehen der Deutschen sieht man nicht die gerechte Bestrafung eigener Vergehen, sondern Willkür gegen Unschuldige, da eine Geisel-erschießung die eigentlich Schuldigen nicht abschreckt, sondern zu neuen Vergehen verpflichtet (...). Hans Wendes Bericht wurde von Warnstorff bis zu Löhr hinaufgereicht, der mit grün abzeichnete. Warnstorff lobte: Guter Bericht. Doch zum Thema Geiselerschießungen vermerkte er lakonisch am Rand des Berichtes: Es gibt keine andere Lösung. Wende ist heute noch stolz darauf, diesen Bericht verfaßt zu haben: Als ich ihn vortrug, habe ich auch gesagt, daß die Sühnemaßnahmen trotz ihrer Härte keinen nennenswerten Erfolg hatten. Ich kenne ja den ungeheuren Zusammenhang der griechischen Familien. Wenn ein Angehöriger bei den Banden geschnappt wurde, stellten sich sofort zwei neue zur Verfügung. Immer wieder betont Wende im Gespräch, daß er die Seele der Ic war. Vermutlich steckt darin ein gehöriges Maß an Wahrheit, denn aufgrund seiner langen Dienstzeit in Arsakli wußte er über alles Bescheid und schien somit unabkömmlich. Die waren auf meine alltägliche Arbeit angewiesen, konstatiert er von sich selbst überzeugt. Da konnte ich schon frei meine Meinung sagen. d. Rückzug aus Griechenland In Westgriechenland wurden die deutschen Positionen unmittelbar von EDES-Truppen unter Napeleon Zervas eingenommen. Das verlief reibungslos, sagt Wende. Wir haben Zervas sogar Waffen hinterlassen und mit ihm abgemacht, daß er uns gegen ELAS-Verbände den Rücken freihält. Unser gemeinsames Interesse mit EDES bestand darin, daß die Russen nicht nach Griechenland durchkommen, und daß die kommunistische ELAS die EDES nicht überrollt. Wende erinnert sich gut an die Gespräche mit einem EDES- Offizier im Hauptquartier in Arsakli, der die Rückzugsmodalitäten aushandelte. Ein kautziger Begleiter des EDES- Offiziers präsen-tierte jedem, der es sehen wollte, so Wende, stolz sein Gewehr. In den Gewehrkolben hatte der Mann für jeden erschossenen ELAS- Andarten eine Kerbe geschnitzt. Ich habe zwölf Kerben gezählt, erinnert sich Wende. Aufgrund der schnell vordringenden russischen und Partisanenverbände war das Hauptquartier der Heeresgruppe E bereits gegen Ende 1944 nach Sarajevo verlegt worden. Der Krieg fand nun im unmittelbaren Umfeld statt. Die Verbindungen zu den im verschneiten Gebirge und auf vereisten Gebirgspfaden um ihr Leben kämpfenden Truppen war oft unterbrochen. Unser ganzes Bestreben war nur noch von dem Wunsch beherrscht, vor Kriegsende die Heimat zu erreichen. Denn was uns in jugoslawischer Gefangenschaft erwarten würde, war allen klar, ruft sich Wende jene turbulenten Tage schaudernd ins Gedächtnis zurück. Löhr meinte immer, daß Gefangenschaft den sicheren Tod bedeuten würde. Seit Stalingrad wurde ohnehin die Meinung im Hauptquartier vertreten, daß der Krieg verloren sei. Wir hatten doch Zugang zur Abhörzentrale, die wir zynisch die Lügenzentrale (28) nannten, und hatten daher immer ein klares Bild über die allgemeine Kriegslage. Wende erinnert sich an den Heiligen Abend des Jahres 1944, der ruhig verlief, da die feindliche Luftwaffe aufgrund ständigen Nebels die Stadt nicht bombardieren konnte. Löhr ließ Geschenke an seine Mitarbeiter verteilen und erteilte Interessierten Geschichtsunterricht über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, indem er an Ort und Stelle nachstellte, wo der Erzherzog und sein Mörder standen. Genau drei Monate vor Kriegsende, am 9. Januar 1945 setzte Kurt Waldheim ein Empfehlungsschreiben für die Verleihung des KVK 1. Klasse mit Schwerten (29) an Hans Wende auf. (...) hat sich der Uffz. Wende als Bandensachbearbeiter vielfach aussergewöhnliche Verdienste erworben, so Waldheim. Durch sein umfassendes Wissen und seine stete Einsatzbereitschaft trug er in erheblichem Masse dazu bei, die jeweiligen Feindabsichten rechtzeitig zu erkennen und damit die eig. Truppe oft vor kritischen Überraschungen zu bewahren (...). Dank seiner umfangreichen Kenntnisse lieferte er hervorragend ausgearbeitete Beiträge für die Tagesmeldungen und Feindachrichtenblätter (...). (30) Der Eingabe Waldheims wurde entsprochen. Am 30. Januar 1945 hatte Löhr zum Mittagessen geladen, und heftete persönlich die Auszeichnung an die Brust des rastlosen Tag- und Nachtarbeiters. Doch auch Waldheim sollte noch seinen Orden bekommen. Zu Führers Geburtstag, dem 20. April, war auch ihm von Löhr die gleiche Auszeichnung verliehen worden. Vier Tage später verabschiedete sich Waldheim. Der hat gewußt, was die Stunde schlägt, schimpft Wende. Der hat sich verduftet. Waldheim war zu einer Infanterieeinheit bei Triest abkommandiert worden, durfte aber erst einmal nach Wien reisen, um sich seiner schwangeren Frau anzunehmen. Hier erlebte er das Kriegsende. Obwohl Löhr seinen Kindern versprochen hatte, sie nach Hause zu bringen, zauderte er, in den letzten Kriegstagen seinen Angehörigen der Heeresgruppe E den Befehl zum Durchmarsch ins nahe Österreich zu geben. Der Generaloberst zählte auf seine alten Offizierskameraden bei den Banden, die, wie er, alte k. und k. Offiziere waren. So versprach er sich, durch persönliche Fühlungsnahme einen ehrenvollen Abzug nach Deutschland zu erreichen. Doch Löhrs Zaudern sollte tödliche Konsequenzen nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für tausende seiner Soldaten haben. Es grenzt an Weltfremdheit oder Herrenmenschendenken, wenn Löhr erwartete, daß ihm von Titos Partisanen Gnade und freier Abzug nach Österreich gewährt werden würde, nachdem er vier elend lange Kriegsjahre seine Truppen veranlasst hatte, jeden nur Bandenverdächtigen umzubringen - ohne Befragung, ohne Prozess, ja ohne dem Todgeweihten die geringste Verteidigungschance eingeräumt zu haben. Wende erinnert sich an die dramatischen letzten Kriegstage, wie die Soldaten flehten: Vater Löhr, Vater Löhr, gehn wir, gehn wir nach Hause. Und wie Löhr daraufhin den Auflösungserscheinungen nicht mehr Einhalt gebot. Mit oder ohne Befehl setzten sich nun ganze Einheiten über die Grenze nach Villach ab. Löhrs Tagesbefehl vom 29. April, im letzten Hauptquartier, dem ehemaligen RockefellerHaus in Agram (31) aufgesetzt, war da nur noch hohles Pathos: (...) Der Krieg hat seinen Höhepunkt erreicht. Im heroischen Kampf um Berlin unter dem Befehl des Führers erringt sich das deutsche Volk das Anrecht auf seine Zukunft (...). Wer jetzt nicht das Letzte im Kampf gibt, wer jetzt schwach wird, gibt sich selbst und die Seinen auf; ein elendes, menschenunwürdiges Dasein als Zwangsarbeiter erwartet ihn (...). Doch als am 1. Mai die Meldung eintraf, daß Hitler im Kampf im Berlin gefallen sei, erteilte Löhr Befehl, alle Akten, die auf dem langen Rückmarsch aus Griechenland mitgeschleppt worden waren, zu verbrennen. Oberleutnant Haller, 01 der Heeresgruppe, hatte die Vernichtung der mit fünf Schlüsseln in eisernen Kästen gesicherten Geheimdokumente zu überwachen. Alles was da an Akten war, galt es zu verbrennen, erinnert sich Hans Wende. So auch sein ganzer Stolz, die monatlichen Berichte über Banden in Griechenland und die Feindnachrichtenblätter, deren Abfassung er sich in Tag- und Nachtarbeit gewidmet hatte und wofür ihm, dem kleinen Unteroffizier, die Ehrung und Auszeichnung mit dem Kriegsverdienstkreuz durch den Generalobersten Löhr persönlich widerfahren war. Ich wurde auch aufgerufen, so Wende in Erinnerung an diese Sternstunde in seinem Leben. Meine Akten hatte ich in Ölpapier verpackt und sagte mir, Quatsch, das mache ich nicht mit. Ich habe den Ordner nicht abgeliefert sondern ihn kurz entschlossen in meinem Zelt versteckt. e. Nachkriegszeit Während die Männer um ihr Leben rangen, verlor Hans Wende nie seinen Aktenschatz aus den Augen. In Griechenland hatte er seinem österreichischen Schreiber immer wieder Zigaretten zugesteckt, damit dieser ihm eine extra Kopie von den wichtigsten Berichten ausfertigte. Das war zwar strengstens verboten, aber ich dachte immer, was ich da mache, hat historische Relevanz. So hatte Wende auch dem Fahrer des LKW, mit dem sie nach Klagenfurt durchbrachen, mit Zigaretten die Zusage abgerungen, seine Privatkorrespondenz Am 15. Juni 1945 erhielt Hans Wende seinen Entlassungsschein aus der Wehrmacht, ausgestellt vom US Headquarter der 10th Army Division, und schlug sich zu seinem Bruder nach Lemgo durch. Zwar waren die Verkehrsverhältnisse chaotisch, aber zu Weihnachten 1945 hatte er seine Akten wieder: Eine ehemalige Heeresschwester, die mit einem englischen Truppentransporter in Bayern unterwegs war, hatte sie ihm wohlbehalten mitgebracht. Hans Wende wurde wieder in den Schuldienst übernommen. Er war Lehrer in Bei seinem ehemaligen Kameraden Theo Lauber, der als GFP Mann mit ihm in Saloniki gemeinsame Gefangenenvernehmungen durchgeführt hatte, ließ er sich als erstes Anfang der 50er Jahre ein Rechtsgutachten erstellen. Lauber, nun als Jurist in einer Kanzlei tätig, war der Meinung, daß Wende keine Ungelegenheiten bekommen würde, wenn er das Material verkauft. Jedoch empfahl er, vorsichtig vorzugehen, und nur den wissenschaftlichen oder historischen Charakter der Aufzeichnungen zu betonen. Landesverrat beziehungsweise Hochverrat würden nach Sachlage nicht in Betracht kommen (33). So ermuntert, machte Wende gleich darauf das Material dem späteren Ministerpräsidenten Mitsotakis auf Empfehlung von dessen Freund Manoussos Manoussakis schmackhaft. Wende schilderte seinen Werdegang als Soldat im Oberkommando der deutschen Heeresgruppe in Griechenland, wo er im engsten Führungsstabe des Oberbefehlshabers (...) die Entwicklung der griechischen Widerstandsbewegung bearbeitet und aktenmäßig erfaßt habe. So sind heute die wichtigsten Originalberichte über den Aufbau der griechischen Widerstands-organisationen in meinem Besitz (34). Doch Mitsotakis hütete sich, den Brief überhaupt zu beantworten, so daß Wende im August 1952 seinen Bekannten Dr. Theodore S. Choidas, Rechtsanwalt in Athen, damit beauftragte, einen Übersetzer oder einen Käufer für die Dokumente zu finden. Choidas vermittelte die Tageszeitung Ethnos als Interessenten, die aller-dings erst Einsicht in das Material nehmen wollte, woraufhin Wende im November 1952 vorschlug, die griechische Botschaft damit zu beauftragen, das Material zu sichten und den Wert zu schätzen. Deutsche Fachleute schätzen den Wert des gesamten Materials auf 5 bis 6.000 Dollar (35), so Wende. Wäre Ethnos bereit, für diesen Betrag Kopien der Dokumente zu erstehen? Alternativ könne er auch die Originale für die Summe von Dlrs. 10.000,- (36) abgeben. Der Studienrat schien unter Realitätsverlust zu leiden, als er diese horrende Forderung stellte. Er schien sich in keiner Weise bewußt zu sein, unter welch entsetzlichen Bedingungen Griechenland so kurz nach einem desaströsen Krieg litt, der sich bis 1949 hingezogen hatte. Da Ethnos auf das Angebot nicht einging, offerierte Wende das Material Ende 1952 seinem Bekannten Dr. Louvaris, Professor an der Athener Universität, der als Minister in der Kollaborationsregierung während der deutschen Besatzungszeit gedient hatte. Er pries dem Professor schätzungsweise 6.000 Berichte, Meldungen, Beutepapiere, Zeichnungen, etc. an (37). Doch der Journalist Dr. Johannes Gaitanides in Schordorf riet Wende vehement ab, mit Louvaris ins Geschäft zu kommen, da dieser alle griechischen Laster in Reinkultur vereinigt: Unzuverlässigkeit, Eitelkeit und Grossprecherei (38). Louvaris war zwar wegen seiner Ministertätigkeit während der deutschen Besatzung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, jedoch ließ man ihn nach zwei Jahren frei und gab ihm seine alte Professur zurück. Gaitanides Bedenken sollten Wende jedoch nicht abhalten, weiter mit Louvaris zu verhandeln. Über ihn knüpfte er Kontakt mit Professor Dr. G. Stadtmüller, München und Dr. A. Hoch vom Institut für Zeitgeschichte, dem er die Banden in Griechenland Berichte und Feindnachrichtenblätter für den Betrag von DM 250,- zum Kopieren überließ (39). Historiker Hoch zögerte nicht, Wende auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen. Zwar handle es sich um äusserst wertvolles Material (...). Es muß dabei berücksichtigt werden, daß die Dokumente für Griechenland nationale Bedeutung haben und ein Kapitel darstellen, mit dem man dort wuchern kann (40). Aber als Wert setzte der Historiker nur DM 1.500.- bis 2.000,- und keine Dlrs. 10.000,- an. Zwischenzeitlich drängte Louvaris, ihm das Material zu überlassen, obwohl er nicht über die entsprechenden Mittel verfügte. Statt dessen versprach er Wende, sich für dessen Herzenswunsch einzusetzen, wieder an der Deutschen Schule Athen an-gestellt zu werden. Doch Wende wollte nicht nur wieder in Athen lehren, sondern auch seine Dokumente verkaufen. Er begann Verhandlungen mit der Zeitung Ethnikos Kiryx, die ihm und Professor Stadtmüller je DM 1.000,- für eine zusammenhängende Darstellung der Dokumente bot (41). f. Das Exposé: Die Griechische Widerstandsbewegung im Urteil der Deutschen Heeresführung In den ersten drei Kapiteln als auch im siebten seines Exposés geht Wende auf die Lage in Griechenland im Frühjahr 1943 ein, die allgemeine Entwicklung der Bandentätigkeit bis zum Herbst des gleichen Jahres, dem Abfall Italiens, und den Auswirkungen auf die von der deutschen Heeresführung befürchtete Anlandung alliierter Truppen im westgriechischen Raum. Verblüffend genau war die deutsche Füh-rung bereits im Frühjahr 1943 über die Rolle der britischen Militärmission in Grie-chenland, der kommunistisch unterwanderten EAM und der republikanisch orien-tierten EDES, und deren Führungspersönlichkkeiten Eddy (Edmund Myers), Christos (Chris Woodhouse), Napoleon Zervas, Aris Velougiotis und Stefanos Sarafis informiert. In der Anlage 1 erfolgte eine detaillierte Auflistung der politischen Organisationen, die der deutschen Heeresführung bekannt waren. Selbst was die Truppenstärke anbetraf, stimmten die Schätzungen. Während das Oberkommando im Juli 1943 die Bandenkräfte auf 18.000 bis 20.000 Mann einschätzte, schrieb Myers nach dem Kriege, daß zu diesem Zeitpunkt ELAS etwa 16.000 und EDES etwa 5.000 Mann, mithin 21.000 bewaffnet hatten (44). Kapitel 4 nebst Anlagen 2, 3 und 4 befaßt sich mit der Umorganisation der Andarten-Verbände, wobei an die Tradition des griechischen Heeres angeknüpft und in Anlehnung an ehemalige Friedensstandorte der Regimenter deren Truppenbezeichnungen übernommen wurde. Erst im November 1943 fielen der deutschen Ab-wehr Dokumente in die Hände, aus denen das National Bands Abkommen hervor-geht, das Myers im Juli mit EDES und ELAS unterzeichnete, aufgrund dessen die Partisanenverbände zu anerkannten Teilen des alliierten Heeres zusammengefaßt wurden. Interessante Hintergrundinformationen über die Waffenstillstandsverhandlungen mit Zervas werden im 5. Kapitel behandelt, wobei vor allem die Bandenlagen- Skizze vom 26.5.1944 Anlage 5 ins Auge sticht, da in dieser bereits das mit Zervas verhandelte Freie Griechenland eingezeichnet ist. Im abschließenden Kapitel behandelt Wende die delikate Frage der Versorung der Andarten. Auch hierüber war die deutsche Heeresführung gut informiert, aller-dings aufgrund der geringen Truppenzahlen nicht in der Lage, die Banden-versorgungen nachhaltig zu unterbrechen. So fußten die Reaktionen der Besat-zungsmächte immer wieder auf Terrormaßnahmen und der Erschießung von Zivi-listen, denen man durchweg unterstellte, verkappte Banditen oder Kommunisten zu sein. Die Ermordung von Tausenden unschuldiger Zivilisten und die totale Zerstörung von über 3.000 Dörfern und Vorratsspeichern, mit dem Ziel, den Andarten ihre Versorgungsbasen zu entziehen, war die logische Konsequenz der Militärs. g. Die weiteren Verkaufsverhandlungen Offensichtlich vollkommen im Unklaren darüber, mit Raubgut zu handeln, versuchte Wende 1954 selbst Ihre Majestät Königin Friederike von Griechenland als Vermittlerin zu gewinnen. Doch die Hofdame der Königin reagierte negativ. Sie verwies ihn im Auftrage der Königin erneut an den deutschen Botschafter (46). Professor Stadtmüller meldete sich ebenfalls wieder und schlug vor, zusammen mit Wende die Dokumente nach Griechenland zu bringen. Nur direkt vor Ort könne der Wert wirklich geschätzt und ein angemessener Preis erzielt werden. Zwar hegte der Professor Bedenken, die jugoslawische Grenze mit den Dokumenten zu überschreiten, da das zu gefährlich sei. Klüger sei es, über Italien zu reisen: Man tut nur gut, bei Beginn jeder Grenzkontrolle sofort zu bemerken, daß man Germanon Archäologos sei (47). So würde man jeder Kontrolle entgehen. Doch nun wurde dem Oberstudienrat die Sache zu heiß. Unter dem Deckmantel Germanon Archäologos die brisanten Dokumente ins Nachkriegsgriechenland zurückzuschmuggeln ging ihm zu weit. Das Schreiben des Botschafters verschlimmerte seine Angst, den Bogen zu überspannen. Mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten und dabei vielleicht seinen sicheren Beamtenstatus zu verlieren, wollte er nicht riskieren. Zu allem Übel erhielt er in diesen Tagen eine weitere enttäuschende Nachricht, daß trotz Louvaris Démarche seine Wiedereinstellung an der Deutschen Schule Athen vom Auswärtigen Amt abgelehnt wurde, da Lehrkräfte, die früher besonders im Kriege in Griechenland tätig waren, für eine Einstellung nicht in Frage kommen (48). Ich denke daran, das ganz Material zu vernichten, schrieb ein verzagender Wende nun Stadtmüller und annulierte die geplante Promotionsreise, auf der sie gemeinsam das Material in Griechenland vorstellen und verhökern wollten. Stadtmüller reagierte verärgert, warf Wende vor, sich an den deutschen Botschafter gewandt zu haben (Diplomaten pflegen alle Ihre Äusserungen vorzüglich unter dem Gesichtspunkt abzugeben, wie sie sich dienstlich und ausserdienstlich sichern), und zögerte nicht seine vertrauliche Meinung kund zu tun: Diese Diplomaten werden garnichts dagegen unternehmen, falls sich nicht irgend ein publizistisch-politischer Stunk entwickeln sollte,der auch Diplomaten amtlich verpflichtet, in Erregung zu geraten. Offensichtlich gelang es Stadtmüller, Wendes Moral wieder aufzubauen. Jedenfalls ließ dieser davon ab, die Dokumente zu vernichten. Erst einmal entschied letzterer, sein Exposé über den griechischen Widerstand zum Abschluß zu bringen. Sodann begann er im Mai 1955 ein jahrelanges Feilschen mit Basil Mathiopoulos, der nun die Bühne in der sich abzeichnenden Komödie betritt. Mathiopoulos, Journalist mit Sitz in Bonn, verhandelte klug, indem er Wende erst einmal mit den aktuellen Wirtschaftverhältnissen und Lebensbedingunen in Griechenland vertraut machte. Zermürbt von jahrelangen Verhandlungen, verlangte Wende jetzt nur noch DM 1.000,- für die Dokumente. Doch selbst diesen Betrag war Mathiopoulos Zeitung nicht bereit zu zahlen. Wende reagierte, indem er Verhandlungen mit Generalleutnant Kanellopoulos vom griechischen Heeresgeneralstab in Athen anbahnte, der sofort seinen Militärattaché Oberstleutnant P. Panourias von der griechischen Botschaft in Bonn beauftragte, mit Wende zu sprechen. Panourias machte Wende Hoffnung auf DM 2.000,-, doch zerknirscht mußte der Oberstleutnant im August 1956 die Offerte zurückziehen: Seine Dienststelle könne nicht mehr als DM 800,- zahlen (49). Ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, hätte Hans Wende dieses Angebot ohnehin nicht mehr akzeptieren können. Denn im Frühjahr des Jahres 1956 hatte ihm Dr. Weis von der Bibliothek für Zeitgeschichte, Stuttgart - der er ebenfalls die Unterlagen angeboten hatte - die niederschmetternde Tatsache mitgeteilt, daß das kürzlich eröffnete Bundesarchiv in Koblenz Besitzanspruch auf sämtliche Original-unterlagen der früheren deutschen Wehrmacht hätte. Es bestehen sogar schon Be-stimmungen, wonach der Verkauf und die Verbringung (...) ins Ausland verboten ist und unter Strafe gestellt werden kann (50). Diese unzweideutige Klarstellung hielt Wende jedoch nicht davon ab, weiter mit Mathiopoulos zu verhandeln, der ihm im Herbst 1956, nachdem er die Dokumente bei Wende zu Hause einsehen durfte, per Telegramm ein konkretes Angebot unterbreitete: DM 1.600,- wäre seine Zeitung Eleftheria nun bereit, für das gesamte Werk zu zahlen. Allerdings sei ihm von Wende nach erfolgter Überweisung die Summe von DM 300,- als Provision zu zahlen. Und um sicherzustellen, daß seine Zeitung und nicht der griechische Generalstab den Zuschlag erhalten würde, machte der Jurist Mathiopoulos Druck. Denn nach seinem Rechtsempfinden erschien es ihm persönlich als inkorrekt, wenn Wende die Informationen an jemand anders als an Eleftheria verkaufen sollte. Erst nachdem ich im Sommer 1954 über Ihr Material sprach, erfuhr auch der Generalstab von dieser Angelegenheit, so Mathiopoulos. Wer würde mir denn die verlorene Zeit ersetzen (51)? Wende hatte sich immer mehr in eine Zwickmühle manövriert. Von Mathiopoulos hatte er nun endlich ein konkretes Angebot in der Hand, das seinen Vorstellungen entsprach, aber er durfte es nicht annehmen, da er andererseits mit dem Gesetz in Konflikt geraten wäre. So hatte er, während die Verhandlungen mit Mathiopoulos noch liefen, widerstrebend die Unterlagen dem Bundesarchiv in Koblenz zur Einsicht überlassen, das ihn überschwenglich belobigte als einsichtsvoller Historiker unter großen Mühen das wertvolle Material vor der Vernichtung gerettet zu haben (...). Dem Archiv erschien es von so großem Wert, daß man eine Entschädigung auf DM 800,- bemaß. Da er die Originale ohnehin nicht anderweitig veräussern durfte, nahm Wende das Angebot umgehend an. Nach wiederholtem Boren seitens Wende erhöhte das Bundesarchiv den Betrag später auf die runde Summe von DM 2.000.- da es sich um ausserordentlich wichtiges Material handele (52). Vorsichtig geworden fragte Wende nun beim Bundesarchiv an, ob es ihm gestattet sei, wenigstens Fotokopien der Dokumente an Mathiopoulos zu veräussern. Im Herbst 1956 wurde ihm auch dieser Wunsch abgelehnt, zumal es sich um einwandfrei staatliches Schriftgut handele. Das Material sei von so prekärem Charakter, daß wir diese Entscheidung nur mit dem Einverständis der zuständigen Mini-sterien (Verteidigung und Auswärtiges Amt) treffen können (...). Eine Veröffentlichung (...) könnte zu Feststellungen führen, deren Folgen auch für Sie z. Zt. nicht zu übersehen sind (53). Das Bundesarchiv war strikt dagegen, Mathiopoulos Einsicht in das gesamte Material zu gewähren, zumal sich darin Namen von noch lebenden Persönlichkeiten in Deutschland und Griechenland befanden. Das gleiche und vielleicht noch in einem besonderen Maße, so das Bundesarchiv, gilt für die geplante Auswertung durch den griechischen Generalstab hinsichtlich der im Material genannten Griechen (54). Trotz der eindeutigen Mahnungen des Bundesarchives, mit dem heiklen Material überaus sogfältig zu Werke zu gehen, überließ Wende gemäß Vertrag mit Mathiopoulos vom 28. September 1956 Originaldokumente, die er dem Bundesarchiv vorenthalten hatte (55). Wende hatte die Originale herausgerückt, um den Chefredakteur der Athener Tageszeitung Eleftheria zu überzeugen, daß sein Material den verlangten Preis wert war. Heute klagt Wende, das Material nicht zurückerhalten zu haben (56). Doch hiermit fand das Handeln kein Ende. Wende erhielt schließlich vom Bundesarchiv die ersehnte offizielle Genehmigung zur Veröffentlichung seines Exposés, jedoch mit der Einschränkung, daß das Archiv jede Verantwortung ablehne. Wieder bot Wende nun sein Exposé nebst einigen ausgewählten Anlagen (57) dem griechischen Generalstab und Mathiopoulos zum reduzierten Preis von DM 550,- an und warb: Es stellt das einzig zur Verfügung kommende Material dar und dürfte dadurch auch für Ihre Dienststelle von besonderem Wert sein. Nach monatelangem, hartnäckigen Feilschen machte Mathiopoulos schließlich das Rennen und erstand im März 1957 zum endgültigen Preis von für DM 400,- Wendes Dokumentation. h. Wo befinden sich die Dokumente? Unklarheit besteht leider weiterhin über die Anzahl der Dokumente, die Wende aus Griechenland mitnahm. Ursprünglich verwies er in seiner Korrespondenz auf 6.000 - 8.000 Meldungen (59). Doch ab dem Jahre 1954 erwähnte er nur noch ungefähr 3.000 bis 3.500 Schriftstücke (60). Als Wende 1953 überlegte, die Dokumente an die griechische Botschaft in Bonn zu schicken, notierte er, daß das Paket eine Größe von 20 zu 40 cm habe und ungefähr 5 Kg (61). schwer sei. Dieses Gewicht würde eher einem Aktenberg von 3.000 anstatt 6.000 Seiten entsprechen. Leider kann Hans Wende diese Diskrepanz heute nicht mehr erklären. Die nun vom Autor von Wende übernommenen Skizzen und Pläne, die er seinerzeit nicht an das Bundesarchiv weitergegeben hatte, werden mit diesem Aufsatz zum ersten Male veröffentlicht. Verlorengegangen scheinen hingegen die Filet-stücke aus dem gesamten Material (siehe Fußnote 55), welche Hans Wende im September 1956 an die Zeitung Eleftheria und ihren Journalisten Basil Mathio-poulos ausgeliehen hatte.
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